- Indische Literatur
Indische Literatur. Das älteste Denkmal der I. L. ist der Rigweda, dessen Inhalt fast ausschließlich religiöser Natur ist. Die ältesten Bestandteile gehen bis ins 3. oder 4. Jahrtausend v. Chr. zurück. Den Namen Veda (Wissen) im engern Sinne tragen noch drei andere Sammlungen (Sanskrit: Samhitā): der Sāmavēda, Yajurvēda und Atharvavēda, an die sich als Erläuterungsschriften die Brāhmana mit ihren Unterabteilungen, den Āranyaka und Upanishad, sowie die Sūtra anschließen. Sammlungen weltlichen Inhalts sind uns aus ältester Zeit nicht erhalten; Reste finden sich in dem großen Nationalepos, dem Mahābhārata (s.d.) und den Purānas (s.d.). An der Spitze der Kunstpoesie steht das Rāmāyana des Vālmīki aus unbekannter Zeit; ins 1. Jahr. n. Chr. gehört das Buddhacarita, »Leben des Buddha«, des Açvaghosha. Im 6. Jahr., der eigentlich klassischen Zeit, lebte der berühmteste ind. Dichter Kālidāsa. In dieselbe Zeit gehören die bekanntesten Dichter der Kunstepen (Mahākāvya) Bhāravi, Māgha, Bhatti, wahrscheinlich auch der Lyriker Amaru und Dandin. Im 7. Jahrh. schrieb namentlich der Spruchdichter Bhartrihari, der mit Amaru als Begründer einer der beliebtesten Gattungen ind. Poesie, der Çataka-Dichtung anzusehen ist. Diese Çataka enthalten 100 oder mehrere hundert Sprüche erotischen, didaktischen und religiösen Inhalts, und sie sind reich an vortrefflichen Sitten- und Naturschilderungen, sowie voll von Lebensweisheit. In dieses Jahrhundert gehört wohl auch noch Viçākhadatta, der Dichter des Dramas Mudrārākshasa, eines der bedeutendsten Dramen der Inder. Die Grammatik, die von frühester Zeit an gepflegt worden war und in Pānini ihren Höhepunkt erreicht hatte, blühte ebenfalls in diesem Jahrhundert. Von den Dichtern des 8. Jahrh. ist bes. Bhavabhūti zu erwähnen, der berühmteste Dramatiker nächst Kālidāsa. Im 9. Jahrh. fand das Pañcatantra (s.d.) in der nördl. Fassung seinen Abschluß. Andere Fabelwerke, wie der Hitopadeça (s.d.), die Çukasaptati u.a. sind noch jünger. Dem Anfange des 10. Jahrh. gehört an der Dramatiker Rāschaçekhara; am Ende desselben war der Hof des Mundscha in Dhārā der Mittelpunkt der Dichtkunst und Wissenschaft, noch mehr aber im 11. Jahrh. unter Muñjas Neffen Rhodschah. Im Anfange des 12. Jahrh. war der Sitz der Dichtkunst Bengalen, wo am Hofe des Königs Lakshmanasēna, der 1119 zur Regierung kam, die »fünf Perlen« lebten, unter denen Dschajadēva hervorragt. Die Dichter der spätern Jahrhunderte richten sich wesentlich nach ältern Vorbildern. Außer der Grammatik wurde von der wissenschaftlichen Literatur von frühester Zeit an die Philosophie gepflegt, die aus den Upanishad erwuchs, dann die Rechtswissenschaft, die Rhetorik, Metrik, Medizin, Tierarzneikunde, Astronomie. Umfangreich ist auch die in Pāli (s.d.) geschriebene Literatur der Buddhisten und die in Prākrit (s.d.) abgefaßte der Dschina, ebenso auch die Literatur in den neuern ind. Sprachen. – Vgl. L. von Schröder (1887), »Grundriß der indo-arischen Philologie« (1896 fg.).
http://www.zeno.org/Brockhaus-1911. 1911.